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Starker Wille, freier Geist.

Melanie Reich verwirklichte sich mit nur 21 Jahren mit „Freigeist Piercing“ den Traum vom eigenen Piercingstudio. Dafür musste die damals jüngste Piercerin Österreichs einige Hindernisse überwinden. Aber es hat sich ausgezahlt: Auch fünf Jahre später würde sie nichts anders machen.

_AXS5679_web-19a4e9e7 Freigeist Piercing – Wir sind Wirtschaftsbund Tirol
© Axel Springer

Im Teenageralter wissen noch nicht viele Jugendliche, welchen Weg sie einmal einschlagen werden. Nicht so bei Melanie Reich. Der Patscherin war schon früh klar, was sie will: Piercerin werden. Ihre Faszination für die Körperkultur rund um Piercing und Tattoos begann im zarten Alter von elf Jahren, mit 13 Jahren besuchte Melanie Reich mit ihrer Mutter zum ersten Mal ein Studio. „Da wusste ich: Das will ich machen“, blickt sie zurück. Sie war begeistert von den Menschen, der Atmosphäre, dem Schmuck und wusste – das ist ihre Zukunft. Elf Jahre später ist Melanie Reich Jungunternehmerin und Inhaberin eines eigenen Studios in der Innsbrucker Innenstadt.

„Ich wollte ein modernes Piercingstudio, das mit den veralteten Klischees aufräumt.“

Melanie Reich, Inhaberin Freigeist Piercing

Stunde null

Für diesen Traum hat die heute 26-Jährige hart gekämpft. Sie finanziert sich ihre Ausbildung selbst, pendelt lange Zeit für teure Kurse und unbezahlte Praktika nach Wien und München. Auch die teilweise Rückerstattung der Schulungskosten ist letztlich in Tirol nicht möglich. Nach zwei intensiven Ausbildungsjahren erhält sie im November 2017 ihre Befähigungsprüfung.

Melanie Reich versucht so viel praktische Erfahrung wie möglich zu sammeln, mietet sich in einem Tattoostudio in Vomp ein und gründet im Jänner 2018 „Freigeist Piercing“. „Ich wollte sehen, ob es einen Markt für mein eigenes Studio gibt“, sagt Reich. Das Lokal ist im Gewerbegebiet, hat keine Schaufenster und ist dadurch eigentlich nur schlecht für ihr Unterfangen geeignet. Aber dennoch: Melanie Reich hat Erfolg, die Nachfrage nach ihren Piercings steigt, der Kundenstamm wächst stetig. Damit wird ihr klar: „Ich möchte auf eigenen Beinen stehen.“

  • Ausbildung mit Hindernissen  

    • Theoriekurs
      1 Monat
      Medizinische Grundlagen für Piercer
      Wifi Wien 
    • Praxiskurs
      1 Monate
      Diplomlehrgang
      Wifi Wien 
    • Befähigungsprüfung
      3 Module: schriftlich, mündlich, praktisch
      WKO Niederösterreich

    Die Ausbildung zum Piercer ähnelt zwar einer Lehre, ist offiziell aber keine.

    Die organisatorischen und finanziellen Hürden der Ausbildung sind gerade für junge Menschen und Berufstätige erheblich. Praktika werden meist im rechtlichen Graubereich absolviert. „Die Rahmenbedingungen müssen sich verbessern, es braucht Rechtskonformität“, so Reich. Die Jungunternehmerin fordert eine Lehre für Piercer, das lasse sich gut umsetzen und würde die Qualität in der Branche erhöhen. Sollte ihre Vision Realität werden, wäre sie auch bereit, selbst Lehrlinge auszubilden.

Hürdenlauf

Ihr eigenes Studio soll in der Landeshauptstadt sein – der Markt sei hier schlicht größer, die Verkehrsanbindung ins Unter- und Oberland am besten. Es beginnt ein steiniger Weg, denn ein passendes Geschäftslokal in Innsbruck zu finden ist kein leichtes Unterfangen. Noch schwieriger erweist es sich in der Piercingbranche. Mehr als 50 Lokale hat die Unternehmerin im Visier. „Meist kam es aufgrund zu hoher Preise, horrender Ablösen oder einer dezentralen Lage einfach nicht infrage“, erklärt Melanie Reich. Rund 15 Geschäfte kommen zwar in die engere Wahl, doch es folgen nur Absagen. „Die Ablehnung in der Gesellschaft ist groß, man hat mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Niemand will einen Piercingbetrieb in seinem Geschäftslokal“, so die Unternehmerin.

Imagewandel

Als die damals 21-Jährige ihren Traum vom eigenen Studio fast schon aufgeben will, klappt es endlich. In der Bürgerstraße findet sie ein passendes Geschäft, sie bleibt hartnäckig bei den Eigentümern und erhält letztlich eine Zusage. Im Spätsommer beginnen die Umbauarbeiten, ein gepflegtes Shopdesign ist Melanie Reich wichtig: Minimalistisch und hochwertig, mit großen Schaufenstern, die den Blick in das Studio und die Schmuckkästen freigeben. „Ich wollte ein modernes Piercingstudio, das mit den veralteten Klischees aufräumt“, meint Reich.

Mehr als überzeugt von Freigeist ist mittlerweile auch Familie Reich: Vater Manfred, selbst Unternehmer, unterstützt seine Tochter mit betrieblichem Know-how und legt beim Umbau des Studios fleißig Hand an. Und auch Oma und Opa fiebern mit ihrer Enkelin mit. „Anfangs reagierten sie zögerlich auf meine ersten Tattoos und Piercings, aber schon bald überwog die Neugier auf diese Branche. Die Eröffnung des Studios konnten sie kaum erwarten und waren natürlich Teil der Party“, freut sich Melanie Reich.

„Wenn ich es schaffe, schaffen es andere auch.“

Melanie Reich, Inhaberin Freigeist Piercing

Der richtige Weg

In jungen Jahren schon als Unternehmerin selbstständig zu sein, sieht Melanie Reich als Chance. „Man muss der Typ dafür sein. Für mich war und ist es das Richtige“, ist sie überzeugt. Sie mag die Verantwortung, schätzt den Freiraum und weiß, dass sie mit ihrem Namen einsteht. Eine Herausforderung sei jedoch der finanzielle Aspekt: „Als junger Mensch Unternehmer zu werden ist schwer, besonders in dieser Branche.“ Man bekomme keinen Kredit von der Bank, auch nicht mit Unterstützung der Eltern. Die Meldung des Gewerbes ist ohne ein Geschäftslokal beinahe unmöglich, da eine positive Hygieneprüfung erforderlich ist. Diese Umstände würden es jungen Menschen erschweren, ihren Traum zu verwirklichen. „Ohne meinen Papa hätte ich es nicht geschafft“, ist sich Reich bewusst. 

_AXS7648_web-a2e74ed1 Freigeist Piercing – Wir sind Wirtschaftsbund Tirol

© Axel Springer

_AXS7661_web-051c5ef7 Freigeist Piercing – Wir sind Wirtschaftsbund Tirol

© Axel Springer

_AXS7696_web-d132657b Freigeist Piercing – Wir sind Wirtschaftsbund Tirol

© Axel Springer

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Für Piercingbetriebe gelten strenge Hygienevorschriften, die Investitionskosten der dafür notwendigen Geräte sind beträchtlich. © Axel Springer

„Ich bin jung und motiviert und will mich für Verbesserungen in der Branche einsetzen.“

Melanie Reich, Inhaberin Freigeist Piercing

Vorbildwirkung

Die Herausforderungen, denen Melanie Reich als Jungunternehmerin begegnet ist, veranlassten sie, sich in der Interessenvertretung einzubringen. Die Unterstützung, die sie seitens Kammer und Wirtschaftsbund selbst erfuhr, will sie weitergeben. „Ich bin jung und motiviert und will mich für Verbesserungen in der Branche einsetzen“, sagt Reich. Auch der Zusammenhalt in der Branche ist ihr wichtig, weshalb sie Stammtische mit Piercern und Tätowierern besucht und engen Austausch pflegt.

Melanie Reich will Vorurteile in der Gesellschaft abbauen und andere mit ihrer Leidenschaft anstecken. Ihre Geschichte soll Vorbildwirkung haben: „Wenn ich es schaffe, schaffen es andere auch“, sagt sie stolz.

  • „Junge Menschen können nur schwer Unternehmer werden“

    Die Begeisterung der Eltern hält sich in Grenzen, als Melanie Reich in Jugendjahren ihr Interesse an Piercings und Tattoos entwickelt. „Natürlich denkt man, dass es bloß eine Phase ist, die vorübergehen wird“, schmunzelt Manfred Reich, Melanies Vater. Doch mit der Zeit wird ihm klar: Melanie wird ihren Weg gehen, ob mit oder ohne Unterstützung ihrer Eltern. „Man kann den Kopf in den Sand stecken. Oder aber man hilft dem eigenen Kind, seinen Traum zu verwirklichen“, sagt Reich heute.

    Er selbst führt einen Installationsbetrieb, kennt die Herausforderungen als Unternehmer und kann seine Tochter dahingehend gut unterstützen. Was ihn erschreckt, waren die administrativen und finanziellen Hürden: „Junge Menschen können nur schwer Unternehmer werden, das ist schade.“ Deshalb war für ihn klar, dass er seine Tochter bei der Gründung unterstützt. „Melanie war schon immer stur, sie gibt nicht auf“, weiß Reich.