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Osttiroler Zukunftsschmiede

Während viele Tiroler Unter­nehmen mit der Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle kämpfen, steht die Firmengruppe des Osttiroler Technologie-Visionärs Helmut Senfter seit fast zwei Jahrzehnten an vorderster Front der digitalen Transformation. 

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© Franz Oss

„Ich habe in den 1980ern auf dem C64, dem ersten wirklichen Personalcomputer, meine ersten Programme geschrieben.“

Helmut Senfter, Osttiroler Technologie-Unternehmer

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Das Innenleben des neuen 3D-Drucksystems von HP
© Screenshot/dreidp.at/ Hewlett Packard Enterprise

Das Lienzer Becken ist eigentlich nicht der Ort, an dem man nach einem der Hidden Champions der digitalen Tiroler Wirtschaft suchen würde. Doch genau hier ist der Sitz einer hoch-innovativen Firmengruppe, die seit den frühen 2000er Jahren an der Zukunft des vernetzten Wirtschaftens und Produzierens arbeitet. 

Von der Pike auf 

Dass seine beiden Unternehmen, die Inno-Cube GmbH und die m2m-automation gmbh, Projekte von der Nordsee bis zur kroatischen Küste durchführen und sich zu einem der gefragtesten österreichischen Spezialisten für die Automatisierung von Industrieanlagen und die Optimierung von gewerblichen Bauprojekten entwickeln würden, hätte sich Helmut Senfter vor gut 25 Jahren wohl nicht gedacht. Damals machte der gebürtige Lienzer gerade eine Lehre zum Elektroinstallateur und entdeckte die Welt des Programmierens für sich: „Ich habe in den 1980ern auf dem Commodore 64, dem ersten wirklichen Personalcomputer, meine ersten Programme geschrieben. Das war für mich der Start in die Softwareentwicklung“, erinnert sich der Unternehmer. Da es damals in Osttirol noch keine Ausbildungsmöglichkeiten gab, bildete sich der junge Technikbegeisterte selbst weiter und legte so den Grundstein für seine weitere Karriere als Informatiker und die späteren Unternehmensgründungen in diesem Bereich. 

Gegen die starren Strukturen

Das Thema Innovation begleitete Senfter auch in der Zeit nach seiner Lehre. Nach dem Abschluss der Werkmeisterschule in Lienz erkannten seine Ausbildner das Potenzial Senfters und boten dem Absolventen eine Anstellung als Lehrer an der Lienzer HTL an, an der er bis heute, neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer von zwei Firmen, als Informatik-Professor lehrt.

Nach einigen Anstellungen bei großen Osttiroler Unternehmen wurde Senfter klar, dass er seine Ambitionen als Wegbereiter von Zukunftstechnologien nur als Unternehmer und nicht als Angestellter umsetzen kann: „Ich wollte etwas bewegen. Die Strukturen großer Unternehmen schränken einen aber auf eine gewisse Weise ein. Wenn man innovative Ideen hat, gibt es immer jemanden, der sich nicht ganz darauf einlassen will oder kann.“

Im Jahr 2003 erfolgte dann der erste Schritt in die Selbstständigkeit. Mit der Gründung seines ersten Unternehmens, der Protovis Automation, verwirklichte Senfter seinen Traum und eröffnete gleichzeitig als erster Anbieter, der sich in der Region mit der Automation von Industrieanlagen befasste, ein neues Geschäftsfeld in Osttirol.

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Gemeinsam mit seinem Team arbeitet Helmut Senfter an der Zukunft der vernetzten Produktion in der Industrie. © Franz Oss

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© Inno-Cube

Die Zukunft des 3D-Drucks ist aus
heutiger Sicht noch gar nicht abzusehen.

Helmut Senfter, Osttiroler Technologie-Unternehmer

Ein verlockendes Angebot

Nach fünf Jahren der erfolgreichen Selbstständigkeit wurde der international tätige Sonnen- und Wetterschutztechnik-Spezialist, Hella, auf den Jung­unternehmer aufmerksam. Um die Automatisierung von Gebäuden und der dazugehörigen Beschattungs- und Fassadensteuerung voranzutreiben, gründete Hella gemeinsam mit Helmut Senfter als Partner und Geschäftsführer die Hella Automation GmbH. 

Sechs Jahre dauerte die Zusammenarbeit, bis sich Senfter 2014 entschied, die Partnerschaft zu verlassen und erneut ein Unternehmen, die Inno-Cube GmbH, aufzubauen: „Hella wollte nur in ihren klassischen Geschäftsbereichen arbeiten, deshalb habe ich mich dazu entschlossen, eine eigene Firma zu gründen und dort das spannende Feld der Optimierung von Gebäudetechnik für uns weiterzuentwickeln“, verrät Senfter. 

Mehrere Standbeine

In seinem neu gegründeten Betrieb setzte Helmut Senfter auf alte Stärken, versuchte aber erneut technologisches Neuland zu erobern: „Wir haben uns dann auf die Softwareentwicklung für die Automatisierung von Gebäude spezialisiert, die auf unserer Erfahrung mit der Vernetzung und Weiterentwicklung von Industrieanlagen beruhte.“ 

Noch bevor Energieeffizienz und CO2-Reduktion zu wichtigen Schlagwörtern wurden, arbeitete der Innovator aus Lienz an Gebäudesimulationen für Bürogebäude und Hotelanlagen, auf deren Grundlage Inno-Cube Energiekonzepte entwickelte, durch die bereits im ersten Jahr des Betriebs Energiekosten im fünf- bis sechsstelligen Bereich eingespart werden konnten. Für die Simulationen baut Inno-Cube das geplante Gebäude mit all seinen bauphysikalischen Eigenschaften digital nach und simuliert anhand von Klimadaten der Region und der anzunehmenden Nutzung, wie viel Energie ein Gebäude wirklich benötigt. „Am Anfang war es sehr mutig, sich an ein solches Vorhaben zu wagen. Jeder hat gesagt, dass die Simulationen nicht funktionieren“, erinnert sich Senfter. Beim ersten Projekt, einem Bürogebäude in Deutschland, wurde Inno-Cube vom renommierten Fraunhofer-Institut aus Stuttgart begleitet, das bestätigen konnte, dass die Werte der Simulation mit dem Betrieb der Anlage übereinstimmten.

Heute betreut Inno-Cube Neubauten von Hotelanlagen der größten deutschsprachigen Betreiber wie der Falkensteiner Gruppe und H-Hotels, plant Energiekonzepte für Bürogebäude, sowie die öffentliche Infrastruktur in ganz Europa und tritt immer häufiger als Generalunternehmer auf, der den gesamten Bau mit Handwerkern und Baufirmen vor Ort abwickelt.

Die gegründeten Unternehmen des Osttiroler Technologie-Pioniers Helmut Senfter

infografik-bb0b8753 Helmut Senfter – Wir sind Wirtschaftsbund

Technologische AvantGarde

Da sich Technik ständig weiterentwickelt und Helmut Senfter nie aufhören will, seine Unternehmen an den neuesten technologischen Trends auszurichten, erfolgte 2018 der Einstieg in den 3D-Druck, der laut der Meinung vieler Experten die industrielle Fertigung revolutionieren wird. In der m2m-automation GmbH, die sich vor dem Start in das neue Geschäftsfeld hauptsächlich mit dem Sondermaschinenbau beschäftigte, druckt das Team von Helmut Senfter mittlerweile fast 24 Stunden am Tag Prototypen, Ersatzteile und personalisierte Produkte für Kunden aus ganz Österreich. Auch hier musste Senfter als Early Adopter viel Überzeugungsarbeit leisten: „Wir hatten eine etwas schwierige Startphase. Der 3D-Druck war noch nicht so bekannt und unseren Partnern war nicht bewusst, was sie mit dieser neuen Technologie umsetzen können“, resümiert der Unternehmer.

Schnell konnten jedoch die Vorurteile gegenüber der neuen Produktionsform abgebaut werden. Die Vorteile des 3D-Drucks werden immer mehr Konstrukteuren bewusst, da durch den Ersatz von Aluteilen nicht nur das Gewicht von Produkten, sondern auch die Kosten und Produktionszeiten stark reduziert werden können. „Die Zukunft des 3D-Drucks ist aus heutiger Sicht noch gar nicht abzusehen. Mit jedem Jahr gibt es neue Technologiesprünge, die den Druck von neuen Materialien erlauben und so neue Einsatzmöglichkeiten eröffnen“, so Senfter.

Standortvorteile des ländlichen Raums

Auf die Frage, warum er mit seiner Unternehmensgruppe nicht in einen der technologischen Hotspots in Europa übersiedelt, antwortet Senfter pragmatisch und heimatverbunden: „In unserer Branche habe ich in Osttirol keine Standortnachteile. Ich kann aus dem hintersten Tal heraus arbeiten, so lange ich eine stabile und schnelle Internet­anbindung habe.“

Für den Technologie-Unternehmer überwiegen die Vorteile eines Firmensitzes in Lienz: „Bei uns schaut man aus dem Fenster, hat Sonne, die Berge und eine Vielzahl von Freizeitaktivitäten. Das ist gut für die Lebensqualität, aber auch für das berufliche und persönliche Weiterkommen.“ Für die Zukunft geht er sogar noch weiter: „Wir haben durch die Digitalisierung das Werkzeug für die Belebung des ländlichen Raumes erhalten. Früher war eine Karriere in einer innovativen Industrie mit dem Umzug in einen Ballungsraum verbunden, heute ist das nicht mehr so. Der ländliche Raum wird immer innovativer.“ 

Personalmangel in ganz Europa 

Gegen eines der größten Probleme der Tech-Branche, dem eklatanten Fachkräftemangel bei Informatikern, können aber auch die größten Standortvorteile nur bedingt etwas ausrichten. Seit Monaten sucht Senfter nach Verstärkung für sein Programmierer-Team, fündig wurde er schließlich außerhalb der Grenzen Europas: „Vor Kurzem hat ein neuer Mitarbeiter aus Indien bei uns angefangen, bald kommen vier Programmierer aus der Ukraine. Sie verlegen alle ihren Lebensmittelpunkt nach Tirol, um bei uns anzufangen.“ 

Da Informatiker in Tirol mittlerweile auf der Mangelberufsliste stehen, kann Senfter auch Arbeitnehmer aus Drittstaaten einstellen, wenn sie die notwendige Ausbildung, in diesem Fall einen Universitätsabschluss, mitbringen. Dass er keine geeigneten Mitarbeiter aus Österreich finden kann, führt Senfter auf die extreme Wohlstandsteigerung der letzten zwanzig Jahre zurück: „In Mitteleuropa geht es uns allen extrem gut. Früher hat man sich viel mehr für die Arbeit interessiert und mehr Zeit in das persönliche Weiterkommen und den beruflichen Aufstieg investiert.“

„Es braucht in den Schulen und an den Universitäten einen stärkeren Bezug zur Praxis. Den Absolventen fehlt das Wissen, was sie im Berufsleben wirklich können und machen müssen.“

Helmut Senfter, Osttiroler Technologie-Unternehmer

Lehre als Chance

Auch bei der Ausbildung ortet Senfter Fehlentwicklungen, die den Arbeitnehmermangel noch verstärken: „Es braucht in den Schulen und an den Universitäten einen stärkeren Bezug zur Praxis. Den Absolventen fehlt das Wissen, was sie im Berufsleben wirklich können und machen müssen.“ Für den Unternehmer, der selbst eine Lehre gemacht und sich seine Expertise im Feld der Informatik eigenständig aufgebaut hat, ist die Stärkung der Lehre ein wichtiger Schritt, um wieder mehr junge Leute auf eine Karriere als Informatiker vorzubereiten: „Ich glaube, dass man mit einer Ausbildung, die Lehre und Matura verbindet, in Zukunft viel bessere Chancen am Arbeitsmarkt haben wird. Hier ist die Diskussion über die Durchlässigkeit im Bildungssystem und die Anrechenbarkeit der Lehre im Nationalen Qualifikationsrahmen sehr begrüßenswert.“ 

Netzwerk Wirtschaftsbund

Senfter ist bewusst, dass man den vielen Herausforderungen, die auf die Tiroler Wirtschaft zukommen, nur gemeinsam und mit einer starken Interessenvertretung im Rücken begegnen kann: „Ich bin Wirtschaftsbund-Mitglied, weil dieser die beste Vertretung für Unternehmer in Tirol bietet. Man kann Kontakte knüpfen, sich ohne Konkurrenzdenken austauschen und voneinander lernen. Er ist ein Netzwerk, das einen weiterbringt, die perfekte Plattform, um Problemlösungen aus anderen Branchen kennenzulernen.“

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Ein  von Senfter betreutes Projekt für "Falkensteiner Hotels & Residences" in Katschberg. © Falkensteiner Hotels & Residences

CFD-2-ff23f194 Helmut Senfter – Wir sind Wirtschaftsbund

Eine Gebäudesimulation von Inno-Cube, in der der Fluss von kalter und warmer Luft visualisiert wird. © Inno-Cube