Frauenpower
Das Malereigewerbe ist wie viele Handwerksbereiche immer noch eine Männerdomäne. Das rein weibliche Team der Malerei Dielacher in Kirchberg in Tirol beweist, dass das nicht so sein muss – denn was zählt, ist die Leidenschaft, nicht das Geschlecht.

© Axel Springer
„Für mich ist schon im Volksschulalter festgestanden, dass ich irgendwann Malerin werden will“, erzählt Malermeisterin Sybille Dielacher. Ihr Vater hat das Unternehmen bereits 1971 gegründet, weshalb Dielacher von klein auf in Berührung mit Farbe, Pinsel und Co. gekommen ist. In den Sommerferien hat sie ihren Vater immer wieder auf Baustellen begleitet und nach dem Abschluss der Handelsschule stieg sie als Lehrling voll in den Betrieb ein.
Betriebsübergabe im Schnelldurchlauf
Es war klar, dass sie den Betrieb irgendwann übernehmen würde – dieser Tag kam dann aber viel früher als erwartet. „Kurz nach meiner Lehrabschlussprüfung hatte mein Vater einen schweren Unfall, von dem er sich nicht mehr so recht erholte“, erzählt Dielacher, die damals erst 21 Jahre alt war. Lange überlegen und eine geregelte Übergabe vorbereiten war somit nicht mehr möglich. Kurzerhand trat sie die Nachfolge im elterlichen Betrieb an.
Neben den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen, die die Jungunternehmerin mithilfe ihres Steuerberaters sehr gut meisterte, galt es, Respekt und Vertrauen in den eigenen Reihen aufzubauen. Aus dem vormaligen Lehrling, der Tochter des Chefs, wurde mehr oder weniger über Nacht „die Chefin“. Schnell fand Dielacher ihren persönlichen Weg und blieb diesem, auch bei Widerständen in der damaligen Belegschaft, treu. Es brauche Glück und Selbstbewusstsein, aber am wichtigsten ein Ziel und eine Vision vor Augen, um sich als Unternehmerin erfolgreich etablieren zu können. „Der Schubs ins kalte Wasser ist im Nachhinein betrachtet wohl der richtige Weg für mich gewesen. Somit konnte ich meine Vision erschaffen und meinen Stil entwickeln, der sich für mich und mein Team gut anfühlt“, resümiert die Unternehmerin.
Allein unter Männern
Ende der 1990er-Jahre galt die Malerei noch als klassische Männerdomäne und nicht selten spürte Dielacher den irritierten Blick der Anwesenden bei diversen Baubesprechungen. „Da musste ich erst mal lernen, mich durchzusetzen“, sagt sie. Doch mit der Zeit änderte sich das Bild. Sybille Dielacher erlangte durch ihr kompetentes Auftreten und ihr Fachwissen schnell Respekt. Die mittlerweile abgeschlossene Ausbildung zur Malermeisterin und der tägliche Umgang mit Planern, Architekten und Bauherren hat die Unternehmerin zu einer selbstbewussten Frau geformt. „Wir werden auf der Baustelle von den Männern vollauf akzeptiert. Jeder begegnet uns zuvorkommend, mit Anstand und Respekt. Vielfach wird uns auch Hilfe konkret angeboten – zum Beispiel beim Schleppen der schweren Farbeimer ins Obergeschoß“, sagt Dielacher mit einem Lächeln auf den Lippen. Nach nunmehr 25 Jahren Selbstständigkeit hat sie es geschafft, dass man nach ihrer Meinung fragt und ihr volles Vertrauen entgegenbringt.
2005 entscheidet sich Dielacher für die Anstellung der ersten weiblichen Lehrlinge unter ihrer Führung. Schon nach kurzer Zeit gibt ihr der Erfolg recht. Sie erhält zahlreiche positive Rückmeldungen der Kunden und konzentriert sich vermehrt auf die Wandgestaltung und Malerei in privaten Wohnbereichen. Dort ist Sauberkeit und Präzision noch mal mehr gefordert. „Wir kommen dabei sehr oft mit der Privatsphäre unserer Kunden in Berührung. Ein Umstand, der Vertrauen und Respekt im Umgang unseres Teams voraussetzt. In diesem Arbeitsumfeld hat sich die Zusammenarbeit mit Frauen schon mehrfach bezahlt gemacht“, schildert Dielacher, die größten Wert auf Sorgfalt, Sauberkeit und Diskretion legt. „Es kann schon einmal vorkommen, dass wir der alleinstehenden Witwe ein offenes Ohr schenken, die Katze füttern, weil die Bewohner verreist sind, helfen ein Möbelstück zu verrücken oder das Bild wieder an seinen Platz hängen.“
Zudem durfte Dielacher sich stets auf ihr gutes Händchen für talentierte Lehrlinge verlassen. Sowohl Michaela Eberle als auch Ronja Strobl schlossen ihre Ausbildung mit ausgezeichnetem Erfolg ab und sind bis heute dem Unternehmen als Mitarbeiterinnen treu geblieben. Michaela Eberle gelang es sogar, 2008 den Sieg im Landeslehrlingswettbewerb nach Kirchberg zu holen. „Bis heute stehe ich mit all meinen ehemaligen Lehrlingen in sehr gutem Kontakt. Eine wollte sogar nicht ohne mein Beisein heiraten – eine Wertschätzung, die mich immer noch berührt.“ Selbstverständlich freut sich Dielacher auch über Anfragen von männlichen Lehrlingen. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass die Rolle als „Hahn im Korb“ für die meisten auf Dauer unangenehm ist.
„Meine Aufgabe als Chefin muss sein, die Leidenschaft für den Beruf in meinem Team zu wecken.“
Sybille Dielacher
Feuer für den Beruf
Viel wichtiger als das Geschlecht sei bei potenziellen Lehrlingen oder Fachkräften die Passion für den Beruf, betont Dielacher: „Nur wer für seinen Beruf brennt, kann ihn erfolgreich ausüben. Wenn die Begeisterung, der Spaß und die Freude so gar nicht da sind, steht man als Unternehmerin auf verlorenem Posten. Meine Aufgabe als Chefin muss sein, die Leidenschaft für den Beruf in meinem Team zu wecken.“ Neben dem Feuer gehört auch eine Portion Idealismus im Handwerk dazu. Für Dielacher ist klar: Das Handwerk genießt in diesen Breiten einen sehr hohen Stellenwert, der sich in den kommenden Jahren noch weiter nach oben entwickeln werde. Es benötige jedoch die kontinuierliche Anpassung der Ziele und unternehmerischen Visionen, um den Herausforderungen, wie beispielsweise dem Fachkräftemangel, gewachsen zu sein.
Dielacher erkennt das Potenzial durch die ständig wachsenden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und rät den Jugendlichen, „lieber die Schulbank noch um ein, zwei Jahre länger zu drücken, um sich mit der notwendigen Reife, im Anschluss an eine schulische Ausbildung, für eine Lehre bewusst zu entscheiden“. Diese Tendenz ist vermehrt im Arbeitsalltag zu finden, zumal nach der Lehre die Aus- und Weiterbildung im Berufsleben ebenfalls nicht stillstehen dürfen.
Vielfältiger Arbeitsalltag
Bei Sybille Dielacher und ihrem Team spürt man, dass das Feuer für das Handwerk noch immer lodert. Sie lieben und leben den Beruf. Besonders spannend finden sie, wenn ein Kunde ihnen komplett freie Hand lässt: „Da muss man sehr viel auf den Kunden eingehen, man muss ihn und seinen Stil kennenlernen und sich dann etwas Passendes einfallen lassen“, erzählt die Malermeisterin. Ein tougher Businessmensch würde sich beispielsweise wohl nicht unbedingt über eine Wand mit rosa Wischtechnik freuen, das passe nicht zum Typ.
Bei der Einschätzung und Einordnung der Kunden helfe ihr besonders ihre Ausbildung zur Farbdesignerin. Das Thema Farbe hat Dielacher generell schon immer fasziniert. Wie entsteht eine Farbe? Was macht das Licht damit? Welche Wirkung kann man damit in einem Raum erzielen? Das sind Fragen, mit denen sie sich als diplomierte Farbdesignerin auseinandersetzt. „Interessant wird es, wenn man den Menschen miteinbezieht, weil Farbe ja auch einen psychologischen Hintergrund hat. Bei einem sehr aufgewühlten Kind ist es zum Beispiel keine gute Idee, eine rote Wand ins Zimmer zu machen. Mit der richtigen Farbe kann man da unterstützend entgegenwirken und einen Ausgleich schaffen.“
Mehr Miteinander
Vom Wirtschaftsbund erhofft sich die Unternehmerin in Zukunft mehr Austausch und Miteinander: „Ich würde mir da mehr Direktheit wünschen, auch mehr Kontakt zu den Leuten und zwischen den Mitgliedern.“ Wenn man sich als Mitglied nicht aktiv um Informationen bemühe, habe man bisher relativ wenig davon mitbekommen, was der Wirtschaftsbund gerade macht, erzählt Dielacher – was schade sei, weil man als Gruppe schließlich wesentlich mehr erreichen könne. Sehr positiv ist für sie dagegen, dass KMUs endlich mehr Gehör erhalten: „Ich finde es hammermäßig, dass da offenbar ein Umdenken stattgefunden hat und auch uns KMUs zugehört wird.“
„Ich finde es hammermäßig, dass da offenbar ein Umdenken stattgefunden hat und auch uns KMUs zugehört wird.“
Sybille Dielacher