Ein Leben für den Rock’n’Roll
„Es geht nichts über eine verzerrte Gitarre“, sagt Jörg Philipp, Gründer von Beat the Street. Rock’n’Roll ist für ihn aber mehr als nur sein Lieblingsmusikgenre: Der Unternehmer hat sein Leben der Musik gewidmet und mit Fleiß und Pioniergeist das erfolgreichste Touring-Unternehmen Europas aufgebaut.

© Axel Springer
„Durch die Hilfe von Franz Hörl habe ich den eigentlichen Sinn des Wirtschaftsbundes erkannt.“
Jörg Philipp, Gründer von Beat The Street
Mitten in Tirol, genauer gesagt in der 2.100-Seelen-Gemeinde Fritzens, nur zwei Minuten entfernt von der Autobahnauffahrt, steht die moderne Firmenzentrale von Beat the Street. Das Transportunternehmen ist der europaweit größte Anbieter von hochwertigen Tourbussen, die in der firmeneigenen Werkstatt zu rollenden Hotels ausgebaut werden. Normalerweise empfängt Jörg Philipp keine Journalisten. Beat the Street hat einen Status in der Musikindustrie erreicht, die Werbung oder Medienberichte überflüssig machen. Die größten Stars der Musikwelt wissen schon lange, dass sich eine ausgedehnte Tournee am Bequemsten in den Luxusbussen von Jörp Philipp verbringen lässt.
Denn sie wissen nicht, was sie tun
Für den Wirtschaftsbund macht der sonst so medienscheue Philipp eine Ausnahme, denn vor einiger Zeit konnte durch die Intervention von Landesobmann Franz Hörl und anderen politischen Entscheidungsträgern ein gesetzlicher Widerspruch gelöst werden, der die Arbeit der Fahrer von Beat the Street unnötig erschwerte.
Vor zwei Jahren erhält Philipp eine horrende Strafsumme vorgeschrieben. Seine Fahrer hätten, laut Meinung der Behörde, gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitruhegesetzes verstoßen. Schnell wird klar, dass ein Softwarefehler zur falschen Kalkulation der Fahrzeit geführt hat. So kann ein Teil der Vorschreibung reduziert werden. Ein Problem bleibt: Die im Kollektivvertrag geregelten Lenk- und Ruhezeiten stehen im Widerspruch zu den Regelungen im Arbeitszeitruhegesetz. Die Fahrer, die ihre Lenkpausen in ihrer Schlafkabine verbringen, müssten nach sechs Stunden im Bus aufgeweckt werden, das Fahrzeug verlassen, um eine halbe Stunde Pause zu machen. Für Philipp eine Farce. „Ich fühle mich durch solche Aktionen gewissermaßen verraten. Man baut mit harter Arbeit über jahrelange Durststrecken ein Unternehmen auf, das funktioniert und für das es internationalen Bedarf gibt, und deine eigenen Leute fallen dir in den Rücken mit irgendwelchen Gesetzen und Verordnungen, die keinen Sinn ergeben“, schäumt der Unternehmer.
Er wendet sich an seinen ehemaligen Steuerberater Peter Grüner, der aus dem Ruhestand heraus für Beat the Street aktiv wird. Grüner kontaktiert den Wirtschaftsbund und andere politische Entscheidungsträger, wie Landeshauptmann Platter und Landesrat Tratter, die sich für Beat the Street einsetzen. Landesobmann Franz Hörl macht die Angelegenheit zur Chefsache und interveniert auf höchster Ebene in Wien. „Franz Hörl hat zugehört und sich wirklich mit der Materie beschäftigt. Durch seine Hilfe habe ich den eigentlichen Sinn des Wirtschaftsbundes erkannt“, erinnert sich Jörg Philipp. Durch den Einsatz Hörls konnte das Problem gelöst und sinnvollere gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Beat the street

© Gerhard Berger
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- 4.025.000 KM gefahrene Gesamtstrecke (Stand Demzember 2018)
- 4.700 Kilogramm Holz
- gefliestes Bad
- 100 Meter Leder
- Kingsize Bett
- 2.000 Arbeitsstunden pro Bus
- 1.285.700 Liter Treibstoffverbrauch im Jahr
Bescheidene Anfänge
Jörg Philipp hat allen Grund, mit Stolz auf seine Leistungen in den letzten 31 Jahren zurückzublicken. Der Rocker sitzt in seinem elegant eingerichteten Büro und erzählt, wie es ihm gelungen ist, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen und ein Unternehmen aufzubauen, das in ganz Europa seinesgleichen sucht. Ein Stockwerk tiefer bauen seine Tischler gerade einen neu angeschafften Bus aus. Heute besteht der Fuhrpark aus mehr als 120 Fahrzeugen sowie einem Firmensitz in den USA, doch das war nicht immer so.
Während seiner Zeit am Gymnasium arbeitet Jörg Philipp als Aufbauhelfer bei Konzerten in Innsbruck. Nach der Matura versucht er sich, leider nicht sehr erfolgreich, selbst als Veranstalter. Er hat jedoch Blut geleckt und will sich eine Karriere in der Musikindustrie aufbauen. Philipp wird Tourneeleiter für verschiedene Bands und reist zwei Jahre lang durch ganz Europa. Er ist für die gesamte Infrastruktur der Tourneen zuständig, kümmert sich um die Anmietung von Lkws und Bussen, plant und organisiert Licht- und Tontechnik und die Zusammenstellung der Bühnencrew. Während dieser Zeit erkennt er, dass gut ausgestattete Tourbusse Mangelware sind: „Es gab welche in England und Deutschland. Das waren aber einfache Reisebusse, bei denen schnell die Sitze rausgeschraubt und Bettgestelle eingebaut wurden“, erinnert sich Philipp.
Für eine Tour der Band Kool & the Gang muss Philipp Busse aus England organisieren. Das Unterfangen verschlingt fast gleich viel Geld wie die ganze Tournee. Er entscheidet sich, selbst in das Touring-Geschäft einzusteigen, und macht sich auf die Suche nach seinem ersten eigenen Bus.
Schwierige Fahrzeugsuche
Ein erschwingliches Fahrzeug zu finden, stellt sich aber als schwieriger heraus als erwartet. Sogar ausgemusterte Busse kosten 80.000 Schilling. Geld, das der junge Visionär nicht hat. Durch einen Bekannten erfährt er, dass ein alter Bus in Kärnten zu haben ist, der darauf wartet, ausgeschlachtet zu werden. Jörg Philipp bietet dem Besitzer 10.000 Schilling an, dieser nimmt an und freut sich noch heute über diesen guten Deal.
Der Bus wird nach Tirol gebracht. Jörg Philipp sucht nach Spenglern und Lackierern, um den Bus wieder auf Vordermann zu bringen. Keiner ist gewillt, dem Unternehmer mit den großen Plänen zu helfen. „Hau den Bus weg, den wirst du im Leben nie restaurieren, geschweige denn zugelassen bekommen“, verhöhnt ihn ein Automechaniker.
Philipp lässt sich nicht beirren, sucht weiter, bis er in der Firma Hollaus in Hall endlich einen Partner findet, der sich auf das Projekt einlässt. Der Besitzer der Werkstätte macht dem Jungunternehmer ein unkonventionelles Angebot: „Ich kann dir nicht sagen, was das kosten wird. Bring mir Geld und wir arbeiten, bis es aufgebraucht ist. Dann bringst du wieder neues, und irgendwann ist das Fahrzeug fertig“, erinnert sich Philipp an die Worte, die ihm zum Einstieg ins Geschäft verhalfen. Nach der Reparatur durch die Mechaniker von Hollaus entscheidet sich Philipp dazu, den Innenausbau des Busses selbst zu übernehmen. Ein Dreivierteljahr vergeht, dann kann er seinen ersten Kunden, den Clown und Komiker Jango Edwards, auf einer Tour durch Europa begleiten.
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Hard Facts
- 260 Mitarbeiter in Österreich und England
- 105 Fahrzeuge
- 1.295 Fahrten mit der Fähre im Jahr
Berufsbilder im Unternehmen
Büroangestellte, Tischler, Schlosser, Fahrer, Elektriker, Schweißer, Lackierer, Köche, Reinigungskräfte, Wäscher, Sattler, Mechaniker
Beat the Street startet durch
„Alles Geld, das wir eingenommen haben, haben wir gleich wieder investiert. Das waren andere Zeiten. Wir mussten damals noch keine Verantwortung für Familie oder Mitarbeiter übernehmen“, erzählt Philipp. Jedes Jahr nach dem Ende der Wintersaison kauft das Unternehmen alte Skibusse, repariert und renoviert sie. Die Zahl der Fahrzeuge steigt auf drei. Sie werden in unterschiedlichen Farben lackiert, damit Kunden nicht meinen, die Firma unterhalte nur einen Bus. Philipp fährt am Anfang selbst, ist oft 300 Tage im Jahr unterwegs.
Durch Glück lernt der Firmeninhaber eine Agentur in Berlin kennen, die viele Bands der New Yorker Hardcore-Szene vertritt. Beat the Street wird für die Europatourneen der Punkrocker gebucht und kann dadurch erste Gewinne erwirtschaften. Philipp kann Kontakt zum gut vernetzen Touring-Unternehmen Phoenix Bussing Services aus England aufbauen, das von der Qualität der Busse aus Tirol begeistert ist, und Beat the Street immer häufiger für seine berühmten Kunden bucht.
Wachstum und Expansion
Anfang der 2000er beginnt die eigentliche Wachstumsphase des Unternehmens. Immer mehr große Stars chartern Busse von Beat the Street. Die ersten neuwertigen Busse können angeschafft und in der eigenen Werkstätte zu rollenden Hotels umgebaut werden. Von Aerosmith bis ZZ Top, von Beyoncé bis Justin Timberlake, alles, was in der Musikwelt Rang und Namen hat, lässt sich in Philipps Tourbussen über die Straßen Europas kutschieren. „Die Musikindustrie agiert zwar global, aber übertrieben gesagt gibt es nur eine Handvoll Leute, die die Entscheidungen treffen. Wenn man einen guten Job macht, dann spricht sich das herum und man bekommt die Aufträge“, sagt Philipp.
Mit Sting und seiner Band fährt Beat the Street bis nach Russland. Dem Countrystar Dolly Parton gefallen die Busse von Philipp so gut, dass sie sie zweimal nach Australien verschiffen lässt. Parton droht sogar damit, ihre Tournee abzusagen, sollten die Busse von Beat the Street nicht für den Verkehr in Down Under zugelassen werden. Der damalige Premierminister interveniert höchstpersönlich und die Busse mit dem Innsbruck-Land-Kennzeichen rollen für einige Wochen durch das Outback.
Das Geschäft läuft und Jörg Philipp erhält die Möglichkeit, den früheren Geschäftspartner Phoenix Bussing Services zu übernehmen. Ein Vorhaben, das nach reichlichen Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit der Investition umgesetzt wird. Durch die Übernahme wird Beat the Street zum Marktführer in der europäischen Touring-Branche. Im Jahr 2011 eröffnet Philipp zwei weitere Büros in England und erweitert das Firmenportfolio um eine Flotte kleinerer Luxusfahrzeuge, die Kurzstreckentransporte und Abholungen von Flughäfen erledigen.
„Unsere Tischler wollen keine Zirbenstube, sondern den tollsten Tourbus bauen.“
Jörg Philipp, Gründer von Beat The Street

In der firmeneigenen Werkstatt wird in Handarbeit die luxuriöse Innenausstattung der Busse entworfen und eingebaut.
© Axel Springer
Das Erfolgsgeheimnis
Die wirklichen Stars bei Beat the Street sind für den Chef aber nicht die berühmten Fahrgäste, sondern die Mitarbeiter des Unternehmens. „Für einen langfristigen Erfolg ist es wichtig, dass man begeistert ist von dem, was man macht. „Touring with Passion“, wie ich immer sage. Ganz wichtig sind auch meine langjährigen Mitarbeiter. Sie sind die festen Säulen unseres Betriebs“, lobt Philipp sein Team.
Viele der 260 Beschäftigten des Unternehmens sind schon länger als 15 Jahre dabei, manche hatten nie einen anderen Arbeitgeber als Beat the Street. Die Fahrer machen den größten Teil der Belegschaft aus. Sie sind es, die 250 bis 300 Tage im Bus leben und sich um das Wohlergehen der Kunden kümmern. Für das Tiroler Unternehmen zu fahren gilt als äußerst erstrebenswert. Alle Fahrer sind fix angestellt, Philipp zahlt überdurchschnittlich gut, keine Selbstverständlichkeit in der Transportbranche. Dadurch gelingt es, die besten Fahrer aus ganz Europa zu rekrutieren.
Auch die Handwerker des Unternehmens gehören zu den besten ihres Fachs. Die Tischler, Elektriker, Schweißer, Sattler und Lackierer von Beat the Street sind diejenigen, die die Busse in 2.000 Arbeitsstunden zu den hochwertigen Luxustransportern umbauen. „Unsere Tischler wollen keine Zirbenstube, sondern den tollsten Tourbus bauen, den man sich vorstellen kann“ scherzt Philipp. Die Tischler, die für den Innenausbau verantwortlich sind, gehen auch öfters als Zweit- oder Drittfahrer mit auf Tour, um ihre Werkstücke in Aktion zu erleben. „Dort haben sie Kontakt zu den Kunden und Fahrern, die das ganze Jahr im Bus leben. Dadurch kommen sie immer wieder mit neuen Ideen zurück. So können wir unsere Busse ständig weiterentwickeln und am neuesten Stand der Technik bleiben“, so Philipp.
Obwohl Jörg Philipp schon alles erreicht hat, was sich ein Tiroler Unternehmer wünschen kann, bleibt der Selfmademan hungrig und stets auf der Suche nach neuen Ideen für die Verbesserung seiner Fahrzeuge und Dienstleistungen. Derzeit wird in Fritzens an der Erneuerung der Busflotte gearbeitet. Neue Busse mit modernster Technik und edlem Interieur werden schrittweise die älteren Modelle des Unternehmens ersetzen – und damit sicherstellen, dass auch in Zukunft die größten Stars der Musikwelt mit Bussen aus Tirol durch ganz Europa rocken und rollen.